Diskussion: Der Akademiepräsident im Licht der Quellen. Erich Marckhls Einfluss auf Akademie- und Hochschulwerdung
Susanne Kogler: "Auch Frau Mair danke für den Beitrag. Hierzu hätte ich eine Frage, betreffend die Quellen: Es ist bekanntlich ein Problem der steirischen Musikinstitutionengeschichte, dass die Quellen sehr stark von den Akteuren selbst verfasst sind und wir vieles einfach nur von den Protagonisten und deren Publikationen wissen. Auch in diesem Beitrag sind ja sehr wichtige Quellen von Erich Marckhl selbst verfasste, und hier stellt sich mir immer die Frage, ob es möglich ist, auch Fremdbilder und Handlungsmuster in höherem Maße einzubeziehen?"
Julia Mair: "Durch die Interviews sind natürlich einige Blitzlichter eingebunden, aber ich denke, es gibt auch an der Kunstuniversität im Universitätsarchiv noch Schriftverkehr, der hier ergänzende Sichtweisen beisteuern könnte - gerade wenn es um die Akademie- Werdung des Landeskonservatoriums und auch die Debatten um die Rektorswahl am Beginn der Hochschulzeit geht . Das betrifft auch durchaus einzelne Details, wie beispielsweise Material zum geplanten Hochhaus, das es wirklich gibt und wovon Kopien im Universitätsarchiv existieren. Und dann hätte ich noch eine kritische Anmerkung zur Schlussfolgerung: Das Resümee dieses Beitrags lautet, dass es vor allem die autoritäre Art war, die Marckhl auszeichnete - sowohl im Positiven als auch im Negativen. Hier frage ich mich, ob nicht auch durch die Durchsicht noch weiterer Dokumente - vor allem Korrespondenzen - klarer herausgearbeitet werden könnte, dass die taktische Fähigkeit von Marckhl, sich mit Gleichgesinnten und untereinander befreundeten Personen zu verbinden, ein wichtiger Faktor für seinen Erfolg war. Bruchstückhaft ist dieses Netzwerk ja auch schon zu erkennen, wenn man, wie ich versucht habe, den Nachlass Harald Kaufmanns dahingehend auswertet. Generell würde sich hier anbieten, Selbstbild und Fremdbild noch etwas ausführlicher einander gegenüberzustellen, denke ich.
Eine ausführlichere und natürlich auch möglichst vollständige Darstellung – beziehungsweise auch eine Gegenüberstellung – von Selbst- und Fremdbild wird selbstverständlich noch folgen; mein Ziel für diesen Beitrag war es, vor allem die Interviews zumindest in Ausschnitten einzuarbeiten. Dies hat auch mein Resümee zur Folge, da die autoritäre Art Marckhls sich quasi als eine Art roter Faden durch sämtliche Zeitzeugenaussagen und Berichte zieht und beispielsweise vom Marckhl-Biographen Erik Werba unerwähnt blieb. Die Zusammenführung der Zeitzeugenberichte mit den im Archiv vorhandenen Dokumenten ist bereits in Arbeit."
Johanna Trummer: "Aus dem Text geht schön hervor, wie die Akademie durch die Gründung von Institutionen wuchs und dass Marckhl Wissenschaft und Lehre dabei wichtig waren. Gibt es Hinweise darauf, wie er zu den jeweiligen Instituten stand (wie beispielsweise seine Kritik an der Abteilung für Sologesang und Liedinterpretation), zu wem er „einen Zugang“ hatte, ob er manchen Bereichen kritisch gegenüberstand? Und, falls ja, lässt sich das mit politischen, künstlerischen, … Ansichten von ihm in Verbindung bringen?
Interessant wäre auch Näheres über die Umstände, unter denen sich Marckhl einer genaueren Untersuchung durch den Entnazifizierungsausschuss entziehen konnte. War er damit ein Einzelfall oder hat eine tiefer gehende Aufarbeitung in mehreren Fällen nicht stattgefunden – wie auch der Beitrag von Markus Lenhart vermuten lässt (z. B. weil man mehr Fokus darauf legte, wieder qualifiziertes Personal einstellen zu können)?"
Julia Mair: "Die Kritik an der Abteilung für Solo- und Liedgesang ist eher als eine Kritik an den dort agierenden Personen und ihrer Einstellung zu sehen und weniger als Kritik an der Abteilung selbst. Marckhl hegte den Wunsch, die Akademie von Grund auf zu erneuern, und die Tatsache, dass mit der Akademiewerdung selbstverständlich nicht das gesamte Personal ausgetauscht werden konnte, störte ihn in einigen Fällen sicherlich. Ich glaube nicht, dass sich Marckhls politische Ansichten wirklich in der Führung der Akademie oder seinem Verhältnis zu den einzelnen Abteilungen niederschlugen, wobei man natürlich schon davon ausgehen kann, dass er zu einigen – Abteilungen oder auch Personen – aus verschiedenen Gründen einfach mehr Bezug hatte als zu anderen. Was die künstlerischen Ansichten Marckhls betrifft, zeigten sich diese etwa im ‚Studio für Probleme zeitlich naher Musik‘, wo er explizit nicht nur steirische Komponist_innen fördern, sondern dem Publikum einen Querschnitt durch die zeitgenössische Musik präsentieren wollte.
Marckhl war mit seiner quasi nicht vorhandenen Entnazifizierung (leider) kein Einzelfall. Nach dem Krieg herrschte in vielen Bereichen akuter Personalmangel. Viele renommierte Musiker_innen, Wissenschaftler_innen, etc. waren auch während der NS-Zeit aktiv und oft auch Parteimitglieder gewesen, und auf sie alle zu verzichten oder sie mit einem Arbeitsverbot zu belegen, hätte in der Nachkriegszeit einen herben Verlust bedeutet. Institutionen wie beispielsweise das Konservatorium hätten lange nicht so schnell wieder einen regelmäßigen betrieb aufnehmen können, hätte man nicht auf ‚minderbelastete‘ Lehrpersonen zurückgegriffen."
Juliane Oberegger: "Welche Verbindungen zur Politik hatte Marckhl? Bekam er „spezielle“ Unterstützung von einer Partei?"
Julia Mair: "Durch seine Position als Fachinspektor für Musik an höheren Schulen sowie seine späteren Positionen als Professor an der Reichshochschule für Musikerziehung in Wien kann man durchaus sagen, dass Marckhl vor 1945 gute Beziehungen – auch in die Politik – hatte und gut vernetzt war. Nach dem Krieg hatte er ebenfalls einige Unterstützer in der Politik, z.B. der ehemalige steirische Landeshauptmann Josef Krainer sowie den Landeshauptmannstellvertreter Tobias Udier, beide ÖVP. Natürlich gab es aber insbesondere auf dem Weg zur Akademie Vertreter der Politik, die sich Marckhl im Hinblick auf dieses Projekt entgegenstellten (beispielsweise Vertreter des Finanzministeriums)."